Jan Steiner, unser neuer Ambassador, macht gerne Ausfahrten mit dem Velo – am liebsten 200 Kilometer und mehr am Stück. Wie es dazu kam, dass Jan, der aus dem Ski-Freestyle kommt, gerne Velo fährt, erzählte er uns kürzlich.
Jan, bevor du vor 5 Jahren angefangen hast Velo zu fahren, warst du Ski-Freestyler. Wie kam dieser Wechsel von einer explosiven und sehr technischen, zu einer ausdauernden Sportart zustande?
Zuerst einmal vielen Dank, dass ich euer Ambassador sein darf. Es freut mich riesig ein solch tolles Projekt zu repräsentieren und Teil dieser Truppe zu sein!
Der Wechsel kam meiner Meinung nach verletzungsbedingt zustande. Ich hatte mit den Skis einen Crash und erlitt dabei ein Schleudertrauma, welches ich aber erst relativ spät bemerkte. Dies war für mich eine sehr schwierige Zeit, da ich meine bis dahin grösste Leidenschaft nicht mehr ausüben konnte. Weil aber meine Ride Buddies auch immer weniger auf dem Berg waren, habe ich mir dann irgendwann gesagt, das war’s. Auch als ich wieder beschwerdefrei war, habe ich nie wieder dieselbe Leidenschaft für den Sport gefunden.
Ich habe dann rund ein halbes Jahr überhaupt keinen Sport gemacht und war viel auf Parties. Eines Tages hat mich mein Papa beinahe gezwungen mit aufs Rennrad zu kommen. Zuerst waren es so knapp 30 Kilometer in der Linthebene. So wirklich begeistert war ich da zwar noch nicht, aber wir hatten dann fürs kommende Wochenende mit einem Kollegen meines Papas eine weitere Rennrad Tour geplant. Die Freude auf der Tour wurde immer grösser und die positive Stimmung von meinem Papa und seinem Kollegen trugen sicherlich auch dazu bei. Auch ein Sturz (ich kam nicht aus den Klickpedalen raus) schaffte es nicht mir die Freude zu nehmen. Diesen Tag werde ich ganz bestimmt nie vergessen. Von da an hat es mich dann so richtig gepackt und ich kaufte mir kurz darauf mein erstes Rennrad.
Warum fährst du Rennrad und nicht Mountainbike?
Ich begann wie erwähnt mit dem Rennrad und hatte dabei schon so grosse Freude, dass ich bis jetzt gar nie wirklich den Drang dazu hatte aufs Bike umzusteigen. Falls ich dann doch mal etwas weg von der Strasse will, nehme ich das Gravelbike. Allerdings würde es meinen technischen Skills definitiv nicht schaden etwas mehr im Gelände unterwegs zu sein.
Warum fährst du Langdistanz-Rennen?
Ich fahre einfach allgemein sehr gerne lange Touren und es macht mir Spass, Rennen zu fahren und mich bewusst auf ein gewisses Ziel vorzubereiten. Ich habe es auch mit lizenzierten Rennen versucht, aber da hatte ich gewisse Defizite, die ich nicht kompensieren konnte. So habe ich mich dann auch entschieden, bewusst das zu machen, was mir Freude macht und das sind diese langen Rennen.
Was reizt dich an den langen Rennen?
Zuerst einmal die Ungewissheit, wie sich der Körper oder auch der Kopf verhalten. Denn man hat bei solch langen Rennen doch ab und zu Momente, wo man sich wirklich fragt, was genau man hier eigentlich macht. Wie man es schafft, diese Momente zu überbrücken und wieder neue Motivation zu finden, ist für mich ein Rätsel. Aber irgendwie funktioniert es. Auch kann man bei solch langen Rennen viel über sich selbst lernen und das finde ich sehr spannend. Selbstverständlich sind es auch die Distanzen, die mich reizen, denn oft könnte ich mich nicht motivieren, solche Touren einfach so zu machen.
Du bestreitest Rennen, die mehr als 240 Kilometer und 8000 Höhenmeter beinhalten. Wie bereitest du dich physisch und psychisch auf solche Rennen vor?
Ich trainiere nicht strikt nach einem Plan, denn das funktioniert für mich nicht wirklich. Allerdings mache ich schon auch Intervalltrainings und normale Grundlageneinheiten, um dem Körper bewusst Reize zu geben. Trotzdem ist es für mich sehr wichtig auf den Körper zu hören und diesen auch zu verstehen. Das Allerwichtigste ist für mich aber stets Freude daran zu haben, denn nur dann kann ich meine Ziele erreichen. Mit einem guten Gefühl trainiere ich leichter, auch wenn es einmal nicht so läuft wie geplant. Schlussendlich sind wir ja Menschen und keine Maschinen, die auf Knopfdruck immer gleich funktionieren.
Wie viele Stunden pro Woche trainierst du auf Langdistanzrennen?
Je nach Saisonzeitpunkt sind es zwischen 15 – 20 Stunden. Natürlich gibt es auch Trainingsphasen mit 20 bis 30 Stunden, wie zum Beispiel im Frühjahr auf Mallorca.
Muss man im Training gleich lange Distanzen zurücklegen wie anschliessend die Rennen beinhalten?
Nach meiner persönlichen Erfahrung braucht es dies nicht, weil sich der Körper von solch langen Belastungen nicht so schnell erholt und man danach länger warten muss, um die nächste härtere Trainingseinheit absolvieren zu können. Allerdings baue ich schon ab und zu Fahrten von sieben bis acht Stunden in mein Training ein. Dies ist aber mehr, um mir das gute Gefühl zu holen und um zu wissen, dass ich dies auch kann. Bei solch langen Ausfahrten entdeckt man auch neue Orte.
Gehört bei deiner Rennvorbereitung auch mentales Training dazu?
In meiner Zeit, als ich noch lizenzierte Rennen fuhr, arbeitete ich ab und zu mit einer Mentaltrainerin zusammen. Dies half mir extrem, um mich weiter zu entwickeln, denn die mentale Stärke spielt bei langen Rennen eine sehr grosse Rolle.
Was für eine Ausrüstung verwendest du für die langen Rennen?
Ich habe bis jetzt noch keine Materialsponsoren und kann deshalb meine Ausrüstung frei wählen. Diese setzt sich aus meinen Lieblingsprodukten zusammen, mit denen ich mich auch wohl fühle. Das spielt für mich einen grossen Faktor, denn es vereinfacht einiges, wenn man dem Material vertraut.
Mein Rennrad ist ein Cannondale Supersix Evo Disc mit Sram Red AXS Etap Schaltung. Bei der Übersetzung wählte ich vorne ein 48er und ein 35er Kettenblatt mit Powermeter und hinten befindet sich eine Kassette mit einer 10er bis 33er Übersetzung. Bei den Laufrädern wählte ich Enve SES 3.4 oder SES 4.5 AR, die ich mit Vittoria Corsa Reifen in den Breiten 25 oder 28 Millimeter bestückte.
Beim Helm und der Brille vertraue ich auf den schwedischen Hersteller Poc. Kleider und Schuhe trage ich von der britischen Marke Rapha. Die Rennen starten oft früh morgens. Deshalb habe ich häufig eine Windweste dabei, um nicht auszukühlen.
Wie sieht die Verpflegung bei den Rennen aus?
Die Verpflegung bei den Rennen beinhaltet verschiedene Produkte. Zum einen verwende ich hoch dosiertes Kohlenhydratpulver, welches ich dann mit Wasser mische. Aber auch Riegel und fetthaltige Gels gehören dazu. Auch Koffeingels kommen gegen Ende der Rennen zum Einsatz. Ich esse aber auch gerne mal ein paar Salznüsse oder Haribos. Deswegen habe ich immer eine kleine Tüte mit diesen Sachen hinten im Trikot. Weil man aber nicht die gesamte Verpflegung mitnehmen kann, stehen häufig auch meine Eltern oder Freunde am Streckenrand, um mir neue Getränke und Gels zu geben. Ohne deren Hilfe wäre es teilweise unmöglich diese Rennen zu bestreiten. Falls aber mal niemand dabei sein kann, um mich vor Ort zu unterstützen, hat es auch immer sehr gute Verpflegungsstationen an den Rennstrecken, bei denen man sich wieder neue Nahrung besorgen kann.
Wie viel Essen und Trinken hast du bei einem Rennen dabei?
Das hängt stark von der Länge des Rennens ab. Ich achte darauf, dass ich so ca. 90g Kohlenhydrate pro Stunde zu mir nehme, um den Körper immer mit genügend Energie zu versorgen. Wie bereits erwähnt, habe ich aber dann auch ab und zu Leute auf der Strecke, die mich verpflegen. Es gibt auch Rennformate, bei denen keine Hilfe in Anspruch genommen werden kann (unsupported). Dann nutze ich jeweils die Verpflegungsstationen der Rennveranstalter.
In welchen Abständen isst du bei einem Rennen?
Ich habe da keinen fixen Plan, wann ich was esse. Meistens versuche ich zu Beginn des Rennens feste Nahrung zu mir zu nehmen und dann später Gels. Ich habe mittlerweile ein relativ gutes Gefühl für meinen Körper entwickelt und weiss, wann er was braucht. Das funktioniert für mich ganz gut. Teilweise ist es jedoch schwer, Nahrung zu sich zu nehmen, denn man hat nicht wirklich immer Lust dazu. Dann muss man sich zwingen, sonst büsst man später dafür.
Wie unterscheidet sich deine Rennverpflegung von der Trainingsverpflegung?
Im Rennen ernähre ich mich oft von kohlenhydratreicher Flüssignahrung und Gels. Diese lasse ich im Training eigentlich fast immer weg und esse stattdessen Salznüsse oder selbstgemachte Riegel.
Wie verpflegst du dich vor und nach den Rennen oder Trainings?
Etwa fünf Tage vor den Rennen reduziere ich die Kohlenhydrate ziemlich stark, um die Speicher zu leeren. Gleichzeitig trainiere ich ziemlich intensiv, um diesen Vorgang zu beschleunigen. Danach esse ich zwei bis drei Tage vor den Rennen viele kleine kohlenhydratreiche Zwischenmahlzeiten, wie zum Beispiel Reiswaffeln. Meine normalen Mahlzeiten sind aber nicht viel grösser als sonst, weil ich den Magen nicht zu viel belasten möchte. Häufig esse ich Reis mit Poulet oder Fisch und Gemüse. 2.5 bis 3 Stunden vor den Rennen esse ich dann immer Milchreis. Aufgrund der frühen Rennstarts kommt es dann vor, dass ich nachts um zwei Uhr aufstehe, um zu essen.
Nach den Rennen esse ich sehr gerne Haribos und trinke ein Fanta. Auch ein Wheycation Recovery Shake gehört selbstverständlich dazu, um die Regeneration zu beschleunigen. Einige Stunden später gibt’s dann häufig irgendwo ein gutes Dinner mit Dessert. Ich liebe Süssigkeiten.
Bei den Trainings sieht das alles etwas anders aus. Vor harten oder langen Einheiten esse ich meistens Haferflocken, die ich über Nacht eingeweicht habe oder kurz aufkoche. An ruhigeren Tagen esse ich morgens oft nur Joghurt oder Quark mit Früchten und Nüssen. Manchmal mache ich mir auch eine Omelette, die ich dann mit Lachs oder Avocado esse. Nach den Trainings nehme ich so rasch wie möglich den Wheycation Recovery Shake zu mir. Gerne esse ich auch eine Schüssel mit Quark, Agavendicksaft und selbstgemachtem Müesli, oder ich backe mir einen Kuchen, von dem ich nach dem Training essen kann. Ansonsten versuche ich mich ausgewogen und gesund zu ernähren. Dies hat sich mittlerweile so bei mir eingependelt und funktioniert bestens.
Wie trainierst du in den Wintermonaten?
Im Winter trainiere ich natürlich wetterbedingt etwas anders als im Sommer. Wenn es das Wetter zulässt, fahre ich mit dem Rennrad oder mit dem Gravelbike draussen. Bei zu viel Schnee verwende ich meinen Smarttrainer. Zur Abwechslung trainiere ich auf den Tourenskis. Dort kann ich mich teilweise sogar noch mehr pushen als auf dem Velo. Früher absolvierte ich teilweise auch Lauftrainings. Allerdings fand ich es nicht sehr spannend und deswegen entfernte ich es aus meinem Training. Krafttraining möchte ich für den Aufbau der nächsten Saison wieder vermehrt machen. Dafür habe ich zu Hause eine Langhantel, mit der ich Übungen mache. Rumpftraining gehört das ganze Jahr über in mein Programm.
Machst du eine Trainingspause?
Ja, meistens trainiere ich im Oktober sehr reduziert. Allerdings ist es für mich sehr schwer, komplett auf das Radfahren zu verzichten. Deswegen fahre ich dann drei Wochen lang einfach nach Lust und Laune und versuche mich auf andere Dinge zu fokussieren. Dieses Jahr habe ich bewusst auch kleinere Pausen während der Saison eingebaut, um auch mental frisch zu bleiben. Das hat soweit ganz gut funktioniert.
Was für Projekte hast du für 2023 geplant?
Wenn alles nach Plan läuft gehe ich im Februar wieder für rund fünf Wochen nach Mallorca, um als Rennvelo Guide zu arbeiten. So hole ich mir eine gute Grundform. Mein erstes Rennen wird dann voraussichtlich Ende April ebenfalls auf Mallorca sein. Der M312 ist 312km lang und da hatte ich diese Saison ein super Rennen. Nun habe ich mir zum Ziel gesetzt, dieses Resultat noch zu verbessern. Dann möchte ich auch wieder bei der Alpenchallenge starten und mich verbessern. Wenn ich es schaffe, einen Startplatz zu bekommen, steht dann noch das Dead Ends & Cake auf meiner Programmliste. Dies wäre für mich eine völlig neue Herausforderung. Beim Dead Ends & Cake handelt es sich um ein Self Supported Rennen, das ca. 500km lang ist und bei dem man die Route selber planen muss. Dieses Rennformat reizt mich sehr und ich würde in Zukunft gerne mehr an solchen Events teilnehmen. Auch die Tour des Stations (242 km, 8848 HM) und die Tortour Sprint (270 km) sind wieder ein Thema in meinem Rennprogramm. Selbstverständlich gehören die traditionellen Glarner Bergrennen auch dazu, denn bei diesen hat man immer sehr viel Spass. Vielleicht werde ich auch einmal noch eine wirklich lange Tour von zuhause aus machen und schauen, wie es sich anfühlt einmal 24 Stunden oder länger auf dem Rad zu sein. Das wohl Wichtigste ist aber für mich unfallfrei zu bleiben und immer die Freude zu behalten.